März 26, 2014

Thesen zum Fehler beim Fussball:

1. Einleitung

oder: der Fehler der Sache

Das Deutsche Institut für Normung definiert einen Fehler als „Nichterfüllung einerErfordernis oder Erwartung, das oder die festgelegt, üblicherweise vorausgesetzt oder verpflichtend ist.“( http://de.Wikipedia.org/wiki/fehler )

Um Fehler im Fussball zu definieren, gehe ich basal vor und frage zunächst, was ein Fehler überhaupt ist und wie er bestimmt werden kann. Im ersten Hauptteil grenze ich technisch bestimmte Fehler von jenen ab, die sich aus meinem Verständnis von Training ergeben und aus bestimmten Ansprüchen ans Team. Der zweite Hauptteil ist der Versuch einige Spielsituationen zu definieren, um darin fehlerhaftes Verhalten erkennen zu können. Aus den Hauptteilen habe ich zwei ständige Fragen ausgelassen, die ich als Exkurse betrachte: welche Rolle haben die Positionen von Kritiker und Kritisierten, und ist die Leistungssteigerung überhaupt notwendig?! Am Schluss versuche ich aus den Betrachtungen Schlüsse zu ziehen zum Zusammenhang von Selbst- und Fehlerbewusstsein.

Aus diesem Verhältnis wird im letzten Schritt versucht Rückschlüsse zu gewinnen, inwiefern der Amateurfussball Möglichkeiten zur Entwicklung von individuellem, technischem und Sozialverhalten bietet.

2. Fehler im Fussball

Eine von zwei Spielsituationen, in denen Fehler im Fussball passieren ist die Offensive, hier bedeutet ein Fehler Ballverlust und leitet die zweite Spielsituation ein: Defensive. Das Team muss die Konsequenzen solcher Fehler – womöglich – durch richtige Reaktionen verhindern. Richtige Defensive bedeutet Zwingen/Pressing der Gegner zu Fehlern, aktives, gemeinsames Handeln, um wieder in die erste Spielsituation zu gelangen. Defensive Fehler ermöglichen Gegentore.

Für die folgenden Beobachtungen ergeben sich also verschiedene Fehler-Kategorien. Unter Punkt 2.1. behandele ich die physikalisch bestimmten technischen Fehler. Um aus diesen Fehlern zu lernen, bedarf es des Trainings, das im Punkt 2.2. betrachtet und dessen Widersprüche unter den Bedingungen der Konkurrenz besprochen wird.

2.1. Technische Fehler im Fussball:

viele Fehler passieren regelmäßig: „Stockfehler“, Fehlpässe und -Schüsse. Offensichtlich ist hier ist erstmal nur die fehlerhafte physikalische Technik: wenn ich die Bewegung des Balles nicht richtig erkenne und den Fuss nicht richtig zum Ball halte, dann springt der Ball von mir weg, wie von einem Stock. Wenn ich den Ball passe und er landet im Aus, oder wenn ich schiesse und der Torwart fängt ihn, ist die Natur des Fehlers nicht mehr so offensichtlich technisch.

Neben der richtigen technischen Ausführung ist der taktische Zweck entscheidend. Ich kann mir etwas vornehmen und richtig ausführen und es erfüllt dennoch nicht den Zweck. Zum Beispiel aufs Tor schiessen oder ein Dribbling anfangen: ich kann alles richtig machen, aber das Vorhaben war schon der Fehler, weil meine Mitspieler besser positioniert waren. Oder ich spiele ab, aber der Gegner hat mein Vorhaben richtig antizipiert, ein Dribbling wäre besser gewesen.

Voraussetzung für alle Entscheidungen ist die technische Möglichkeit, die jeweilige Option auszuführen. Wenn ich nicht schiessen kann, ist der Schuss für mich keine Option, auch wenn ich mich in aussichtsreicher Schussposition befinde. Durch dieses Unvermögen ist man in einer fehleranfälligen Position.

2.2. Training und Konkurrenz

Der Anspruch an unser Training ist enorm. Es soll allen Spass machen, obwohl alle unterschiedliche Ansprüche haben: die einen brauchen grundlegende Kondition, andere wollen technische Fähigkeiten üben, wieder andere wollen lernen mit besonderen Spielsituationen umzugehen, und die Torhüter brauchen meistens komplett unterschiedenes Training. Unser Coach hat einige grundlegende Trainingsziele vorgegeben, die uns helfen können, weniger Fehler zu machen. Das theoretische Verständnis davon ( abwehrkette.de) kann helfen, das praktische Training davon ist notwendig.

Dabei will ich drei Punkte betonen: erstens die Steuerung des Vordermanns durch offensives Hepp-Platz und defensives Stellen-Rauf, zweitens die Verbindung zum Hintermanns durch defensives Verschieben und offensives Spiel über zwei Reihen, und drittens das Ausnutzen des gesamten Feldes durch Angriffsabbrüche und Seitenwechsel. Diese Fähigkeiten können in den richtigen Situationen helfen, sie können aber auch falsch benutzt werden. Um das zu klären braucht es Coaching, Training und Kommunikation im Team; dazu mehr unter Punkt 3.

Unsere Konkurrenz im Training ist mit Widersprüchen behaftet. Für den Trainer ist geil, aus vielen Möglichkeiten auswählen zu können und so aufzustellen, wie er es für richtig hält. Für uns ist es super, Fehler an Anderen zu erkennen, und zu merken, wie es besser geht. Fehler zu erkennen und kritisieren und damit zukünftig zu verhindern, das gehört dazu, und das müssen wir in den nächsten zwei Wochen Spielpause umsetzen.

Zum anderen scheint das Training dadurch teilweise pervertiert. Fehler anderer werden scheinbar zur Rechtfertigung der eigenen Aufstellung „missbraucht“. Auch wenig hilfreich ist ein Umgang mit der Konkurrenz, in dem versucht wird, unauffällig zu sein, um keine eigenen Fehler zu offenbaren ( das „hilft“ nur scheinbar, denn auch passives Verhalten, das Mitspieler zu Fehlern nötigt, ist selbst ein Fehler).

Noch ein anderer Fall: das Training wird als Pflichtprogramm durchgezogen. Zum Beispiel ich: manchmal komme ich nicht zum Training, um besser zu werden oder Spass zu haben, sondern damit ich am Wochenende spielen kann. Dieser Dienst nach Vorschrift macht es dem Coach nicht wirklich einfach, zu trainieren. Ich hab das neulich schon mal angemerkt: für den Trainer ist es leichter, wenn wir auf ihn zugehen, nach eigenen Fehlern fragen, oder individuelle Schwächen und entsprechende Trainingswünsche äußern. Kurz: das Training aktiv mitgestalten. Dienst nach Vorschrift hilft ebensowenig, wie sein Gegenteil: das just-for-my-own-fun, also das Ausnutzen von Ballbesitz für eigene Ideen und Vorhaben, die im Spiel und Training nicht gefordert und nicht hilfreich sind.

Spass zu haben ist aber in hohem Maße Voraussetzung für alles Andere. Das ist durch die verschiedenen Ansprüche fast unmöglich, z.B. Mr. Fittness hat seinen Spass am Dauerlauf, oder ich habe meinen Spass an Zweikämpfen mit bestimmten Zeitgenossen, die durch one-touch-Übungen ausgeschlossen sind. Im Training wenigstens keinen Frust ansammeln zu wollen ist also das Minimum in Sachen Spass. Also Respekt der eigenen Person, keine Verletzungen oder kein Grundlagentraining bereits erlernter Techniken. Die Balance zu finden ist undankbarer Trainerjob.

Vor einem Jahr habe ich den damaligen Trainer für sein negatives Coaching inschutz genommen. Dieses Jahr entwickelt sich ein anderer Widerspruch: es gibt keinen Trainer mehr, der als Ausrede für schlechte Leistungen herhalten kann und sich rücksichtslos vorhält. Stattdessen gibt es einige Stimmen, die sagen, dass wir „einfach zu schlecht“ seien. Ich halte das für falsch, aber ich stimme zu, dass wir aus vielen Fehlern lernen können und glaube, dass das hinsichtlich der Aufstiegsambitionen auch wichtig ist. Aber das ist nur eine Einschätzung, dazu mehr im Exkurs 1.

3. Machen wir Fehler?

Ich habe beim Training verschiedene Streits geführt und das ging für mich frustrierend zuende, weil ich versuchte meine Mitspieler zu coachen und wurde deshalb mehrfach zurechtgewiesen. Ich sehe nicht ein, was das Schweigen bringen sollte, sondern betrachte es im Gegenteil als einen großen Fehler unseres Zusammenspiels zurzeit.

Danach habe ich unterschiedliches Feedback bekommen; es wurde u.a. gesagt, dass meine Kritik überflüssig sei, weil alle ihre eigenen Fehler selbst einsehen könnten. Diese und andere Aussagen bezüglich der Fehler im Fussball habe ich als Anlass für den Versuch genommen, ein paar Fehler ausführlich zu besprechen.

Ich will zunächst herausfinden, welche kollektiven Fehler wir in Spielen gegen „schwächere“ Gegner begehen und warum, und im zweiten Schritt nach möglichen Fehlerquellen und Reaktionen forschen.

3.1. Fehler im Spiel:

Ein einzelner Gegner kann ein Tor schiessen, wenn das Team sich gemeinschaftlich komplett fehlerhaft in der Defensive verhält. Sobald nur ein Verteidiger und Torwart sich richtig verhalten, hat ein Individualist kaum eine Chance, ausser er ist Lionel Messi. Deshalb gilt: wenn auch die Offensiven sich in der Defensivarbeit richtig verhalten, reduziert sich die Fehlerwahrscheinlichkeit der Defensive auf ein Minimum. Dann bekommen auch beste Gegner Schwierigkeiten. Offensiver Ballbesitz bedeutet ebenfalls notwendig das gemeinsame(!) Zwingen der Gegner zu Fehlern. Eine geordnete Defensive kann kein Individualist bezwingen.

In beiden Spielsituationen sind die meisten Fehler nicht aktives, technisch fehlerhaftes Verhalten Einzelner, sondern passives Unterlassen von Hilfeleistungen für die ballbesitzenden( Offensive) oder ballnahen( Defensive) Spieler. Mitspieler in eine Situation zu bringen in der sie leicht Fehler begehen können, oder sie darin alleine zu lassen, ist der wohl häufigste Fehler im Spiel. Fussball heißt darum, Mitspielern zu helfen, keine Fehler machen zu müssen: durch richtiges Verhalten und richtige Anweisungen im Spiel ( Teamplay und Coaching), durch taktische Hilfe( Laufen), oder durch Erklärungen begangener Fehler ( Training).

Es ist regelmäßig so, dass zwischen Topteams weniger Fehler gemacht werden, als wenn ein Klassenunterschied besteht. Bei letzteren Spielen machen nicht nur die schwächeren Teams Fehler, sondern auch die Besseren: siehe unsere Spiele gegen Borgfeld und Roland auf der einen Seite, und gegen Mahndorf und Schwachhausen andererseits. Das Bewusstsein der Favoritenrolle führt dabei regelmäßig nicht(!) zum gewünschten Effekt: dominantes Spiel. Das Vorhaben richtig zu spielen, scheitert in mancher Hinsicht an diesem Bewusstsein: mit dem Selbstbewusstsein, individuell besser zu sein, traut man erstens sich mehr, und es gelingen auch manche Dinge, die gegen stärkere Gegner nicht klappen. Das ist aber nicht unbedingt hilfreich, denn auch schlechte Gegner machen manchmal keinen Fehler; verhindern Tore. Zweitens zeigt sich auch im Spiel etwas – zumal gegen Mahndorf – das ich gleichfalls als Reaktion auf das Konkurrenzverhältnis im Team und auf das Selbstbewusstsein, besser zu sein, interpretiere: es wird versucht, etwas ganz Besonderes zu tun – halbhohe Bälle aus dem Halbfeld in die Spitze, gelupfte Pässe, manche Dribblings etc. Derartige Aktionen zeigen – wenn sie erfolgreich sind – wie geil man ist, und rechtfertigen damit die eigene Aufstellung.

Durch diese beiden Überlegungen wird sich gegen schwächere Gegner „zu viel vorgenommen“. Weil diese die daraus folgenden Fehler nicht bestrafen, passiert das gehäuft, und das trägt zu dem beobachteten, fehlerhaften Spiel gegen die „Kleinen“ bei.

Es ist jedenfalls effektiver also erfolgreicher, fehlerfrei Fussball zu spielen, d.h. unwahrscheinliche Angriffe abzubrechen und Mitspieler/ die Abwehr im Spielaufbau mit zu nehmen und zu entlasten, anstatt vorne auf den lieben Gott zu warten und zu hoffen, oder auf die individuelle Überlegenheit. Mit diesem Selbstbewusstsein wieder zu einer weitgehend fehlerfreien Leistung zu gelangen, ist nicht selbstverständlich, weil die Fehler gegen Schwächere nicht unbedingt auffallen, nicht be- und ange-merkt werden.

Gegen stärkere Gegner werden weniger Fehler gemacht, wenn und weil man sich nicht ohne weiteres so viel zutraut wie gegen die Schwachen. Dieses Umschalten kann klappen, wie in Borgfeld, oder scheitern, wie in Riensberg.

3.2. Fehler kreieren und vermeiden?

Was im Spiel als „kreativ“ gilt, ist der den Gegner überraschende Umgang mit besonderen Situationen. Wenn die Gegner eine Situation nicht kennen, begehen sie wahrscheinlich Fehler. Solche Situationen zu kreieren, kann man üben. Dann sind sie geplant, für Gegner erscheinen sie aber kreativ. Zum Beispiel Hinterlaufen: obwohl es eine einfache Verteidigungsstrategie gibt: das Übergeben, sind fast alle unser Gegner davon überfordert. Wir wissen welche Schwierigkeiten das kommunikative Übergeben von Gegenspielern uns selber bereitet, das geht anderen genauso. Der Laufweg hinter dem Rücken des Mitspielers ist so einfach, dass wir scheinbar nicht glauben, er könnte etwas nützen. Diese Spekulation ist eine aus Faulheit, und es ist meistens ein Fehler, diesen Weg zu unterlassen, weil es die Passspieloptionen der Ballbesitzenden reduziert, ergo die Fehlerwahrscheinlichkeit erhöht.

3.3. Fehler trainieren

Bei den Beispielen gilt natürlich: sowas ist geil, wenn es die Gegner zu Fehlern zwingt. Deshalb sollte im Training die Sicherheit darin geübt werden. Denn wenn etwas im Training nicht gelernt wurde, warum sollte es im Spiel klappen?

Bei all dem Gerede von disziplinierter und fehlerfreier Opferung für das Team, möchte ich betonen, dass Egoismus wichtig ist im Fussball! Bälle können nicht selber rollen, und werden nicht von alleine ins Tor geschossen( frei nach Marx). Schon wieder Beispiel ich: für mich ist es das geilste Tore zu schiessen; dabei kommt es vor, dass ich besser positionierte Mitspieler übersehe, aber es ist für andere manchmal eine Entlastung, wenn ich den Ball halte. Dieser Widerspruch ist immer da, und sollte vom Teamgeist aufgefangen werden. Das heißt, jede soll so spielen, dass sie Spass hat, und dabei dem Team hilft, oder wenigstens nicht schadet.

Wenn individuelles Verhalten dem Team schadet, dann muss das Team die Einzelnen darauf hinweisen, um zukünftig mit diesen Fehlern umzugehen, siehe dazu den nächsten Punkt. Oder man einigt sich darauf, dass man z.B. Franciscos Fehler solange toleriert, wie er dabei Tore schießt. Training bietet die Gelegenheit dazu, entweder Fehler abzutrainieren, sich aufeinander – also auf die individuellen Mängel – einzustellen, sich einzuspielen, oder aber neues Verhalten zu erlernen, das Gegner zu Fehlern zwingt.

3.4. Kommunikationsfehler:

Um diesen Punkt knapp zu halten, definiere ich vorab zwei Kommunikationsvarianten: positives Coaching als eindeutige Verhaltensvorgaben oder -Optionen für Mitspieler, und negatives Coaching definiere ich als nachträgliche Behebung der Fehlerursachen, besser bekannt als Training.

Beispiele für positives Coaching:

  • „hepp“: du wirst bedrängt, spiel den Ball sofort zurück

  • „Platz“: du wirst nicht bedrängt und kannst Dich zum Tor aufdrehen

  • „Schumi“: ich bin frei, Du kannst mich anspielen

  • „Abbruch“: Spiel zur Verteidigung zurück, weil ich nicht frei bin und auch keine Freien sehe

  • „Schieben“: Lauf, Du fettes Arschgesicht!

  • „Stellen“: Lauf- und Passwege antizipieren, Tempo aufnehmen

  • „Rauf“: Tackle den Ballführer.

Positives Coachen passiert so früh, dass der Gecoachte Zeit hat, die Handlung auszuführen ( „Hepp“ direkt nach dem eigenen Pass, also so früh vor der Ballannahme, dass die direkte Rückpassbewegung durchgeführt werden kann.)

Negatives Coaching hat zwei gängige Erscheinungsformen:

  • Kritik und Feedback einerseits und

  • Meckern oder Nörgeln andererseits

Negatives Coachuing wird im Nachhinein einer Aktion durchgeführt. Eine Aktion wird vom Trainer oder gemeinsam analysiert und Möglichkeiten, Risiken und Alternativen erklärt. Im Spiel und durch Mitspieler ist das selten hilfreich und wird Meckern oder Nörgeln genannt. Die Wahrscheinlichkeit des Lerneffekts ist dabei sehr gering. Nach dem Spiel ist diese Form allerdings sehr wichtig, damit aus den Spielsituationen etwas gelernt werden kann. Im Training, durch den Trainer und für den Lerneffekt ist es unausweichlich.

Die Form oder der Ton des Coachings spielt eine große Rolle. Wenn ein Trainer jemanden trainiert und zur Leistungssteigerung animieren will, ist es schädlich, wenn der Spieler dies als Angriff auf seine Person empfindet. Ein weiterer Grund für negative Konsequenzen des Coachings ist eine beeinträchtigte Beziehung von Spieler und Coach in der Art: „das muss der endlich kapieren“, „der Spacken kriegt’s einfach nicht auf die Reihe“ oder aber „von dem lass ich mir nichts sagen“. Diese beiden Aspekte betrachte ich im ersten Exkurs.

Exkurs 1: Verschiedene Perspekten auf Fehler

Generell: ein Fehler taktischer Natur ist nicht so eindeutig zu bestimmen, wie ein technischer Fehler; weil es darauf verschiedene legitime Perspektiven gibt.

Es ist ebenfalls umstritten, ob wir unsere überhaupt Leistung steigern müssen, um aufsteigen zu können. Es gibt die Meinungen, dass wir sehr gut sind und keine Verbesserungen benötigen und andere, die besagen, wir seien so schlecht wie seit Jahren nicht. Aus meiner Perspektive machen wir zu viele Fehler, und können so dem Anspruch, aufzusteigen, also die nächsten Spiele zu gewinnen, nicht gerecht werden. Das besagte Training hat mir den Widerspruch zu diesem Thema gezeigt. Wer recht hat, kann sich nur im Nachhinein zeigen. Siehe zur Leistungssteigerung generell den nächsten Exkurs.

Negatives Coaching kann als Fehler betrachtet werden, wenn der Inhalt und Zweck, die Verbesserung der einzelnen Fähigkeiten und ein fehlerfreies Spiel, gar nicht gewollt sind. Das ist im Amateurfussball prinzipiell immer der Fall. Es ist normal, sich nach Feierabend nicht mehr dem Zwang zu Disziplin, Lernbereitschaft und Eigeninitiative auszusetzen. Bei uns speziell gibt es die verbreitete Ansicht, dass wir gut sind, und an uns selber, so wie wir sind, Spass haben sollten. Dies ist nicht selten verbunden mit der Arroganz, dass wir besser seien als alle anderen.

Vorweg: alleine, dass wir sind, wie wir sind, ist für mich auch ein Grund mitzuspielen. Ich schätze unser individuelles Potenzial sehr hoch ein, unsere technischen und konditionellen Mängel halte ich für irrelevant, und ich finde es akzeptabel, sie im Training zu vernachlässigen. Aus meiner Perspektive bestehen unsere wesentlichen Fehler im o.g. kollektiven Umschalten von Offensive auf Defensive und im gegenseitigen Coachen.

Ich halte es für einen Fehler, negatives Coachen per se als „Spassverderben“ zu empfinden. Vielmehr halte ich es im Sinne der Zurichtung für den gemeinsamen Erfolg für essenziell. Diese Ansicht wird von wenigen geteilt, deshalb gibt es so etwas wie einen ständigen Widerspruch im Team, seitdem die Erfolgsserie von Trainer Sebastian gerissen ist.

So wurde ich im Training wiederholt korrigiert, dass ich weniger coachen soll, weder positiv noch negativ. Ich sehe diesen Standpunkt ein, weil ich Anderen ihren damit offensichtlich ihren Spass nehme. Es gibt auch Standpunkte, die mich bestärken. Deshalb möchte ich mich entschuldigen, falls ich jemandem auf den Schlips getreten bin, gerne durch Bier nach Training.

Die Ansicht, dass wir zu viele Fehler begehen, und das verändern müssen, ist andererseits auch verbreitet und auch andere versuchen deshalb selber negativ zu coachen. Auch das wird als Meckern und Motzen bewertet. Wieder andere – auch etablierte – Spieler trauen sich gar nicht erst, etwas zu sagen, weil sie befürchten, anderen dadurch zu nahe zu treten. Diese Situation beinhaltet Frustrationspotenzial für alle Seiten.

Hier ein Beispiel für eine kritische Situation, in meiner Ansicht:

Richie, Jens, FloR und Felix verstanden mein positives Coaching im einem Trainingsspiel nicht als Hilfestellung. Positiv wohlgemerkt in dem Sinne, dass ich Anweisungen gebrüllt habe. Ich habe versucht herauszufinden, warum, und mehrere Erklärungen gefunden:

1. es gibt die Ansicht, dass alle von alleine in der Lage sind, Fehler zu bemerken und zu korrigieren. 2. es gibt ebenso das Bedürfnis, im Training ohne Coaching Spass zu haben, deshalb nicht den gewünschten Effekt hat.

3. ich habe wiederholt „Verschieben“ gefordert, obwohl ich selber konditionell dazu nicht immer in der Lage war. Die Reaktion war also etwa so: „Mach doch selber“

4. ich habe wiederholt „Abbruch“ gefordert, das Coaching wurde als Unterdrückung der jeweiligen Angriffsideen und der Ton als Verunsicherung empfunden.

Bei mir kommt offensichtlich alles zusammen: ich verlange mehr negatives Coaching von allen Seiten, ich kritisiere bestimmtes, taktisches Verhalten als sei es objektiv ein Fehler, dabei ist es meistens eine taktische „Geschmacksfrage“. Zusätzlich habe ich ein Standing im Team, das bestenfalls unzuverlässig oder umstritten ist, (realistischer ist aber Schnacker oder Zecke) und drittens ist der Ton meiner Kritik selten freundlich.

Exkurs 2: Fehler des Ideals Aufstieg durch Leistung:

Ich halte das Ideal „Aufstieg durch Leistung“ zwar für potenziell gefährlich, jedoch schätze ich unser Team sehr und glaube, dass wir potenziell dazu in der Lage sind zu reflektieren, wann die Leistungswünsche Einzelner den Ausschluss von oder Gewalt gegen Andere bedeuten. Im sportlichen Wettbewerb wird eine Niederlage respektiert, und auf die nächste Chance gewartet. Das haben wir aus dem letzten Spiel der Saison 12/13 gelernt. Wir mussten dabei lediglich Gewalt, Schiedsrichter- und Sportgerichtsentscheidungen respektieren, aber wir konnten sehen, was passiert, wenn man sich mit dem Aufstieg derart identifiziert, wie unsere Gegner.

Dass unser Arbeiterturnsportverein( ATS) dem Leistungsideal ebenso sehr verhaftet ist, zeigt sich schon darin, dass selbst die vierte Herrenmannschaft keinen einzigen Spastiker mehr im Team hat, weil dieser die nicht ausreichende sportliche Leistungen brachte. Wir schließen niemanden aus, weil er zu viel arbeitet und sich darum zu wenig mit Fussball beschäftigen kann. Wir schließen auch niemanden aus, weil er zu wenig arbeitet und sich deshalb keine neuen Fussballschuhe leisten kann, und wir schließen niemanden aus, weil er nicht gut deutsch spricht. Aber auch wir sind ein sehr exklusiver Haufen: wir schließen zum Beispiel Rollifahrer und Frauen per se aus, weil wir uns auf das Regelwerk der Fussballverbandswettbewerbe einlassen, und viele halten das auch für richtig.

Wir müssen diese Bedingungen akzeptieren, um mitzuspielen und aufzusteigen. Wir müssen Leistung bringen. Die individuelle Leistung ist aber nur eine notwendige Voraussetzung, jedoch nicht hinreichend. Das heißt, der Gedanke ist falsch, dass wir aufsteigen, wenn wir uns am meisten anstrengen:

der Fehler dieser Vorstellung ist logische, denn wenn alle sich am meisten anstrengen, dann spielt sogar die Grammatik des Superlativs verrückt. Die eigene Höchstleistung wird durch die Anstengung der Anderen relativiert.

Man kann sich ebenfalls quasi unendlich anstrengen, ohne dadurch etwas zu erreichen, zum Beispiel wenn man in die falsche Richtung läuft.

Das heißt, um in der Konkurrenz der Gesellschaft wie auch der im Sport zu bestehen, braucht man qualitative Vorteile.

Durch gute neue Leute, durch die Reduzierung der Fehler, Verbesserung der Technik und Taktik im Training haben wir unsere Qualität in den letzten Jahren sehr gesteigert. Erfolg ist aber keinesfalls garantiert, denn die Konkurrenten können immer besser sein.

Ein paar Beispiele für Vor- und Nachteile im Wettbewerb und wie wir sie ausnutzen können:

  • ein kleiner Torwart hat bestimmt ein Problem mit hohen Bällen – also hoch schießen

  • ein Torwart ohne Torwarttechnik hat ein Problem mit flachen Bällen – also flach schießen

Diese Liste ist beliebig erweiterbar, und die allermeisten sportlichen Nachteile können wir einfach trainieren.

Randnotiz: Der Aufstieg in der Konkurrenz Gesellschaft ist da weniger fair gestrickt. der Wettbewerb ist ein Hauen und Stechen, denn die meisten brauchen den Lohn. Der qualitative Unterschied einiger Menschen ist das Eigentum/der Besitz von Maschinen, Fabriken, Geld, Grund und Boden. Diesen Unterschied kann man nicht trainieren. Wenn man viel Arbeit leistet, wird das (meistens) mehr belohnt. Für die einen gibt das mehr Konsum, aber für die anderen einen Mehrwert. Das ist ein beachtenswerter Unterschied, der uns im Aufstiegskampf nichts angeht, davon ist nur Lohnarbeit und Profifussball betroffen.

4. Schluss:

Individuelle Fehler oder Fehler der Individuen?

Es ist in dieser Gesellschaft und in diesem Fussball ein gängiges Phänomen, Kritik an einem bestimmten Verhalten als Kritik an der gesamten Person zu verstehen. Dabei ist es egal, ob es eine physikalisch offensichtlich falsche Technik, ein taktisches Fehlverhalten oder eine umstrittene taktische, strategische oder gar politische Einstellung betrifft.

Die nicht-technischen Fehler haben mindestens zwei Seiten der Wahrnehmung, die des Kritikers und die des Kritisierten. Welche Seite richtig liegt, ist nicht immer eindeutig. Auch eine von vielen geteilte Kritik kann sich als falsch herausstellen. Die Perspektive des Kritisierten ist regelmäßig dadurch bestimmt, dass die Kritik zunächst abgelehnt wird, nicht wegen des Inhalts, sondern einfach weil sie das eigene Verhalten betrifft; ein interessantes Phänomen.

Die allgemeine Anerkennung der eigenen Person empfinden die allermeisten unterm Strich als mangelhaft und für viele Subjekte bedeutet Kritik nach der Schule und Arbeit eine zusätzliche Infragestellung der eigenen Selbstständig- und Entscheidungsfähigkeit. Kritik steht im Verdacht, ungerecht zu sein oder den Falschen zu treffen, oder nicht konstruktiv zu sein.

Das Verlangen in seiner gesamten Persönlichkeit akzeptiert zu werden, ist zwar ziemlich absurd, aber hartnäckig. Die Fülle an Gedanken und Taten eines Menschen sind schwer in Gänze gutzuheißen, aber die Reflexion des eigenen Handelns bedeutet eine Anstrengung, die nur selten lohnt. Eine Motivation des Fussballspielens und für vieles andere besteht deshalb oft in Lob und Anerkennung der Person ganz abstrakt. Auch das ist naheliegend, denn man lernt schnell, dass ein Fehler der Person anhaftet und Nachteile bedeutet: als schlechtes( oder polizeiliches Führungs-) Zeugnis.

Fussballteams sollten dagegen in der Lage sein, alle Einzelnen mit ihren Fehlern und Zielen zu respektieren, wenn sie sich als Frei(zeit)raum verstehen. Wenn das Team aber den Aufstieg als Ziel wählt, dann sind Hochleistungen, und dann ist Kritik notwendig. Diejenigen im Team mit technischen, konditionellen und sonstigen Vorteilen stehen dann in der Verantwortung, allen anderen dabei zu helfen, möglichst wenig Fehler zu machen. Diejenigen im Team, die vorteilhafte Bedingungen vorfinden, müssen diese Vorteile zu Vorteilen des Teams machen. Im Gegensatz zur Gesellschaft, in der der qualitative Vorteil des Eigentums an Kapital – auch nach Steuern und Sozialleistungen – Ausbeutung bedeutet, können die besseren Fussballer ihr Können zum Besten der Schwächeren im Team einbringen, zum Beispiel wenn sie sich einfach zurücknehmen.

 

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