Neben diversem Krams durfte ich meinen letzten Studiensemestern Flaubert lesen.
Der gute Herr Gustave aus der Normandie kam mir immer sehr snobbistisch vor, arrogant lehnte er die frühe Arbeiterbewegung ab und feierte ’seinen‘ Realismus/Naturalismus als das einzig wahrhaft Schöne.
Unbestritten ist sein Werk sehr dicht, jeder Satz katapultiert die Phantasie in ungeahnte Sphären, ‚Zack‘, dann der nächste Satz; ‚Boom‘ ohne dabei zu verwirren oder das Motiv ausser Acht zu lassen.
Dazu gesellt sich ein mir sehr sympathischer, misanthropischer Zug: der Ekel vor der Bourgeoisie. Er selber zählte wohl auch dazu, und sie war seine Kundschaft. Darum erfand er wohl romantische Geschichtchen, um nicht nur von Baudelaire und Nietzsche gelesen zu werden.
Über dieses Kapitel schreibe ich aus folgenden Gründen.
Es liegt nicht daran, dass der Kritikpunkt besonders ausgefallen wäre, es geht um die Schlechtheit des Bürgertums, der Kultur und Kulturindustrie.
Besonders ist hier zum einen, dass ich die angesprochene Figur( bzw. ihr Werk) kenne, und dass ich die Beschäftigung mit Flaubert einer Person zu verdanken habe, die diese Zeilen hoffentlich liesst, und deren Herangehensweise an die lecture mit Problemen zu kämpfen hat, die Adorno ausspricht.
Theo sagt:
“ Gegenüber der korrupten öffentlichen Meinung, der Presse, auf die er schon wie Karl Kraus reagierte, glaubte er auf die Nachwelt sich verlassen zu können, ein vom Bann der Dummheit befreites Bürgertum, das deren authentischen Kritiker zu Ehren brächte.“
Nun versucht Bernard genau dies, die Fülle des Schönen und Wahren in Flauberts Œuvre gegen die Erkenntnisresistenz des angehenden Ausbilderheeres der übernächsten Elite in deren Bewusstsein zu verankern.
„Aber er hat die Dummheit unterschätzt: die Gesellschaft, die er vertritt, kann sich nicht selbst beim Namen nennen, und mit ihrer Entfaltung zur Totalität hat gleich der Intelligenz auch die Dummheit zur absoluten sich entfaltet.“
Dann geht es um die kulturindustrielle Vermarktung von Kunst und Literatur, in der willkürliches Erinnern und spurloses Vergessen ineinander liegen. Sogar der „Ruhm als Resultat objektiver Prozesse in der Marktgesellschaft, der etwas Zufälliges und oftmals Abgedrehtes hatte, aber auch den Abglanz von Gerechtigkeit und freier Wahl, ist liquidiert. Er ist ganz zur Funktion bezahlter Propagandastellen geworden und misst sich an der Investition“. Ich weiss ja nicht, welchen Ruhm der Autor da im Auge hat, der nicht schon warenförmig waere. Der Abglanz freier Wahl erscheint mir wie die Romantisierung des vorindustriellen Kunstmarktes, in dem wohl kaum mehr Freiheit in der Wahl des Kunstempfindens herrschte als in unser Zeit.
„Die geplante Verfügung über Ruhm und Andenken [führe] unweigerlich ins Nichts, dessen Vorgeschmack schon am hektischen Wesen aller Zelebrität sich vernehmen lässt.“ Ob hier die sozialistischen Versuche, die Menschen vom Markt zu befreien, gemeint sind, oder die planenden wirtschaftlichen Überlegungen, die noch jeder privaten Unternehmung eigen sind, erklärt sich mir nicht. Fast möchte ich behaupten, Theo unterliegt einer Begriffsschwäche, die zwischen ehrenwerten Kunstliebhabern und dem bösen modern-talking-Produzenten unterscheidet, obgleich beiden ausser Profit und Prestige keine Kriterien zugrunde liegen.
„In der prätentiösen Sorge um ihren Nimbus vergeuden [die Berühmten] die sachliche Energie, die einzig fortzubestehen vermöchte.“ Die Hoffnung, dass Ideen, Erkenntnis (oder welch „sachliche Energie“ auch immer gemeint sein mag), müsste Theodor gleichsam mit der Hoffnung auf objektive Schönheit aufgeben, wenn er damit nicht seine eigene Arbeit und meine Rezeption davon negierte. So möchte ich sagen, dass auch Bernard seine sachliche Energie wie Perlen vor die Säue in die Zahnräder der Wissensfabriken fließen lässt. Diese Energie, wenn sie schon nicht in der Hoffnung auf ein Nachleben, dann doch auf ein gutes Erleben des schnöden Alltags zielt, kam mir zugute. Sie der Erinnerung an Flaubert zu opfern, macht mich skeptisch.
„Die unmenschliche Gleichgültigkeit, die gefallenen Größen der Kulturindustrie sogleich zuteil wird, enthüllt die Wahrheit über ihren Ruhm, ohne dass doch jene, die daran teilzuhaben verschmähen, bessere Hoffnung auf die Nachwelt hegen dürften. So erfåhrt deer Intellektuelle die Hinfälligkeit seines geheimen Motivs und vermag nichts anderes dagegen, als auch diese Einsicht auszusprechen.“