Fisch im Waser

Dies ist seit Wochen mal wieder der erste Versuch, in Einsamkeit und Fremde mit Cafe und Bier, Adorno zu zitieren.

Ich habe mir dafuer ein neues Layout ausgedacht, und moechte ausserdem Versuchen so etwas wie ein persoenliches Statement voran zu stellen, um nicht zu sagen ‚eine Kritik‘. Buuuuhhuhu.

Dieses 3. Kapitel aus Adornos ‚Minima Moralia‘ beschaeftigt sich mit dem Privatleben, welches im ‚Spaetkapitalismus‘ – also seit etwa vier Generationen – der allgemeinen Geschaeftigkeit geopfert wurde.

Nun moegt Ihr wohl denken, dass dies ja nichts Neues darstellt, da ich in der Tat nicht erst seit drei Wochen darueber rede und schreibe. Dennoch ist mir dieses Kapitel ans Herz gewachsen, denn es hat mich an mich und Euch, liebe Freunde erinnert.

‚Der Bereich des Privaten insgesamt wird verschlungen von einer raetselhaften Geschaeftigkeit‘
; klar. Soweit nichts Neues scheinbar, doch die Konsequenzen, die Adorno ausfuehrt kamen mir verstoerend vor, weil ich ehrlich zugeben muss, dass Beziehungen sammeln nicht nur bei facebook angesagt ist, bei LinkedIn seinen Zweck offenkundig macht, in der Antifa der einzige Weg zum Einstieg ueberhaupt ist, sondern dass sogar ich selber auf der Suche nach Freunden Kritierien anlege wie im Supermarkt. Wer als unzuverlaessig erscheint, wird als Freund nur auf Kommission zugelassen, aufdringliche oder anstrengende Personen muessen Garantien bieten, auf Dauer Freund zu bleiben..:
‚Frueher, als es noch etwas wie die verrufen buergerliche Trennung von Beruf und Privatleben gab, der man fast schon nachtrauern moechte, wurde als unmanierlicher Eindringling mit Misstrauen gemustert, wer in der Privatsphaere Zwecke verfolgte.
Heute erscheint der als arrogant, fremd und nicht zugehoerig, der auf Privates sich einlaesst, ohne dass ihm eine Zweckrichtung anzumerken waere.‘

Auf der Zunge zergeht mir diese Anmerkung, dernach ich meine Offenherzigkeit als Relikt romantischer Epochen interpretierte, wenige Zeilen weiter unten, in der Beschreibung ‚Ungezaehlter[…] Das sind die netten Leute, die Beliebten, die mit allen gut Freund sind, die Gerechten, die human jede Gemeinheit entschuldigen und unbestechlich jede nicht genormte Regung als sentimental verfemen[…] Sie finden sich in allen politischen Lagernauch dort, wo die Ablehnung des Systems als Selbstverstaendlich gilt und damit einen abgefeimten Konformismus eigener Art ausgebildet hat[!!] Oft bestechen sie durch eine gewisse Gutartigkeit, durch mitfuehlenden Anteil am Leben der anderen: Selbstlosigkeit auf Spekulation. Sie sind klug, witzig, sensibel und reaktionsfaehig[ Schwiegermutters Darling]: sie haben den alten Haendlergeist mit den Errungenschaften der je vorletzten Psychologie aufpoliert. Zu allem sind sie faehig, selbst zur Liebe, doch stets treulos. Sie betruegen nicht aus Trieb, sondern aus Prinzip: noch sich selber werten sie als Profit, den sie keinem anderen goennen[…]
Ihr verspaeteter Individualismus vergiftet, was vom Individuum etwa noch uebrig ist.‘

Ich befuerchte, dass die, diese Passagen sich zu Herzen nehmenden, gar nicht die sind, an die ich mit gewisser Genugtuung beim Lesen denken musste.

Meine Konflikte der letzten Monate waren, abgesehen von denen mit mir alleine, waren zu einem erheblichen Teil in dieser Kritik verortet. Was ich schon mitgeteilt habe, als desperate Suche nach Freunden in Mangel an und Idealisierung von Geschwistern, wird hier auf die Privatoekonomie bezogen.

So kann ich mich selber gar nicht davon lossagen, durch Offenheit Offenheit provozieren zu wollen, durchs Kochen bekocht werden zu erzielen, durchs Geben von Beistand auch Beistand zu erwarten, und klug, witzig und sensibel bin ich auch noch! Genau diese Beschreibungen linksradikaler Sympathietraeger oeffnen mein Herz in eine Richtung, in der es keine Erfuellung erwartet, sondern die Oeffnung zur Freude genuegt. Das Lesen dieser Zeilen macht mich zum wohl ersten Fan von Adorno als Komiker (richtiger waere wohl Zyniker).

Das Zaudern und Hadern an Freunden, Familie und dem Haus erscheint mir nun auf der Sonnenseite des Lebens, wie die Reaktion des VEB-Vorstandes, der auf Erfuellung des Plans mit dessen Erweiterung um 20% im naechsten Jahr reagiert. Und dennoch ist das gemeinschaftliche Leben ein Experiment, dessen Regeln ich nicht umfassend, sondern zunaechst nur oekonomisch fassen kann.
Waehrend das Szeneleben an Vorzuegen nicht geizt, an Schoenheit und Emanzipativitaet nur so strozt, selbst das Geringste der Zwischenmenschlichkeit einer regiden Kontrolle des politisch Korrektem unterzieht und einE jedEr die Erfuellung seine Beduerfnisse versprochen weiss, selbst bei Erfuellung dieser Versprechen ist die Szene-WG meines Vertrauens eine oekonomisch organisierte, und meine gute Laune erkauft durch Klopapier und Dienstleistungen.
Das Private liegt darunter und baut dennoch auf, auf der Erfuellung eines Hauswirtschaftsplans.

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